Cover 7

Not Your Type

Not Your Type

2021 • 352 pages

Ratings1

Average rating1

15

Die Idee war da und hatte Potenzial, aber die Umsetzung war alles andere als erfolgreich.

Da ich mich allgemein sehr gerne mit queeren Medien befasse, hatte ich auch die Veröffentlichung dieses Buches im Blick. Nachdem “Someone New” von Laura Kneidl sich bereits der Trope “Das Love Interest ist trans” bedient hatte und zurecht einige Kritik erhalten hatte, wie die Thematik gehandhabt wurde, hatte ich die Hoffnung, dass sich bei einem Buch von einer Autorin, die in den sozialen Medien stark unterwegs ist, selber nicht cishetero ist und auf YouTube sehr oft Videos zu queeren Themen macht, solche schädlichen Tropes nicht wiederfinden würden.

Es blieb aber nur bei der Hoffnung.

Das Buch hat viele Probleme und das wurde auch schon in anderen Reviews ausreichend behandelt, dennoch wollte ich meine eigene Meinung dazu schreiben, nachdem ich das Buch gelesen/angehört hatte.
Zunächst als Disclaimer: Ich bin nicht trans und ich bin weiß, aber ich beschäftige mich viel mit Diversität in Medien und versuche insbesondere darauf zu hören, was Betroffene selbst berichten und an solchen Medien kritisieren. Natürlich ist es dennoch nicht damit vergleichbar, was betroffene Personen zu sagen haben. Ich werde nur versuchen, dies widerzuspiegeln.

Die Repräsentation in dem Buch(cw: Transfeindliche Tropes, Fatphobia, rassistische Tropes)

Das Buch wird als erster Teil von der “Love is Queer”-Reihe von droemer knaur vermarktet. Ich habe ja schon so einige Probleme mit einer solchen kategorischen Abgrenzung von anderen New Adult Romanen, insbesondere da die einzelnen Bücher soweit ich das weiß nicht viel miteinander zu tun haben. Bereits im Klappentext wird die Autorin so vorgestellt: “Die Autorin Alicia Zett weiß, wovon sie schreibt: Sie ist seit mehreren Jahren in der LGBT-Community aktiv und spricht auf ihren Social-Media-Kanälen mal auf ernste, mal auf humorvolle Weise über die Themen, die ihre Follower bewegen.”
Entsprechend hohe Erwartungen hatte ich. Mir ist natürlich bewusst, dass Autorinnen selbst nicht wirklich viel Kontrolle über das Marketing um das Buch herum haben, aber so wie ich das auf den sozialen Medien gesehen habe, war dies auch mein erster Eindruck von der Autorin. Sie sollte eigentlich zumindest annähernd wissen, wovon sie schreibt. Dennoch hapert das Buch nicht mit schädlichen, stereotypischen Darstellungen. Im Kern des Geschehens steht natürlich die Darstellung des Protagonisten Fynn, der ein trans Mann ist, bislang aber fast überall ungeoutet ist. Das ist an sich auch kein Problem, zwar bin ich selbst nicht trans, aber ich identifiziere mich als bisexuell und verstehe daher absolut, weshalb man sich nicht in jeder Umgebung (wenn überhaupt) outen möchte. Jedoch beginnen die Probleme damit, dass die ersten Eindrücke von Fynn bereits solche sind, dass er zurückgezogen, traumatisiert und ziemlich unglücklich ist. Mit Menschen kann er überhaupt nicht umgehen und er hat gar keine Freunde oder Familie. Die einzige Person, mit der er regulär spricht ist sein Therapeut. Fynn erlebt sehr viel Selbsthass in dem Buch und das hindert ihn auch daran, dass er romantische (oder platonische) Beziehungen eingeht. Diese ganze Einstellung von wegen “Ich kann niemanden an mich heranlassen/Niemand wird mich lieben, weil ich trans bin” finde ich einfach nur schädlich, insbesondere da es von einer cis Autorin kommt. Allgemein wird seine Identität als dieses schreckliche Geheimnis aus seiner Sicht behandelt, das auch den Klimax des Buches darstellt. Es reicht natürlich nicht, dass Fynn in der Gegenwart nicht gerade eine “good time” hat, nein, das Buch gibt uns einige Flashbacks in Fynns Vergangenheit, in denen uns sein Trauma und seine Probleme nochmals explizit vorgeführt werden müssen. Die Szenen bedienen mehrere schädliche Tropes, die von trans Leuten immer wieder kritisiert werden, wenn cis Leute diese verwenden, um das Drama oder die Tragödie der Figur in ihrer Geschichte nochmals zu verdeutlichen. In so ziemlich dem ersten Abschnitt wird Fynns Deadname genannt, in einem späteren Flashback wird er auf eine sehr schreckliche Weise unfreiwillig von ein paar Jungs in seiner Schule entblößt und geoutet.Aber auch in der Gegenwart geht es ihm nicht besser: Selbst hier wird ihm nach der ganzen Geschichte und ihrer Entwicklung die Entscheidung genommen, wie er sich vor seinen neuen Freunden outet und es ist vermutlich sehr traumatisierend.An sich können diese Themen und sollten sie auch in Medien behandelt werden, aber meiner Meinung nach sollte das Own Voices Autorinnen überlassen bleiben. Und bestimmte schädliche Darstellungen sind meistens auch extrem unnötig (beispielsweise das Nennen des Deadnames). Der Begriff “trauma porn” ist hier auch nicht ganz fehl am Platz.

Fynns Charakter wird anfangs eigentlich nur davon ausgezeichnet, dass er trans ist und aufgrund seiner Erfahrungen traumatisiert und sehr isoliert ist. Später kommt dann noch sein Interesse an Marie hinzu, aber viel mehr gibt uns das Buch auch nicht wirklich. Ich hätte mir gewünscht, dass Fynn mehr als nur seine Identität oder seine Beziehung zu Marie sein würde, aber tatsächlich steht so ziemlich alles, was ihn betrifft mit dem einen oder anderen in Verbindung.

Seine Identität als den großen dramatischen Höhepunkt des Buches zu verwenden finde ich übrigens auch absolut unnötig.

(Und mehrere Harry Potter Referenzen in einem Buch in 2021 über eine trans Figur zu machen, ist sehr tone deaf. Auch wenn man noch schnell einen seltsamen Absatz einbaut, in dem vage über das Problem, wenn sich Autorinnen, deren Werke man schätzt, sich als transfeindlich etc. entpuppen, nachgedacht wird.) Abgesehen von der schädlichen Darstellung einer trans Person gibt es auch noch andere Probleme. Wenn ich vorstellen darf: Joon, ein Freund von Marie und Teil der “Roadtrip-Gruppe”. Er ist koreanisch-deutsch, schwul und wird als übergewichtig beschrieben. Zuerst einmal muss ich sagen, dass Joon eigentlich meine liebste Figur in dem ganzen Buch war, denn wenn er gerade keine stereotypischen Dinge von sich gab, war er in der Regel ein guter Freund und eigentlich immer positiv. Aber wie er im Buch behandelt wird ist einfach nicht akzeptabel. Bei ihm reiht sich Stereotyp an Stereotyp. Als Koreaner muss er natürlich K-Pop mögen (und spricht am Anfang des Buches konstant davon), seine Eltern sind sehr streng (aber auch nicht relevant, also frage ich mich, warum die Erwähnung überhaupt notwendig war) und er liebt es, Fotos zu machen. Wie gesagt, ich bin nicht asiatisch/koreanisch, aber ich erkenne diese Merkmale trotzdem als das was sie sind: Stereotypisch. Es hilft nicht, dass einer der ersten Eindrücke von Fynn ein sehr rassistischer Gedanke von wegen “Typisch Asiate” war (und ja, Fynn realisiert sofort, dass das alles andere als cool war, aber war es wirklich nötig??). Hinzu kommt dann noch, dass er Essen über alles liebt. Joon hört nicht auf über Essen zu reden, in fast jeder Szene auf dem Roadtrip kann man eigentlich darauf vertrauen, dass Joon kurz jammert, dass er Hunger hat o.Ä.. Das wird meistens als kleiner “Witz” am Rande gehandhabt, weil es halt typisch Joon ist, er hat einfach immer Hunger und denkt nur ans Essen. Das ist auch keine Übertreibung von mir, die Figuren denken mehrmals genau solche Dinge und wenn Joon den Mund aufmacht, wird mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit Essen erwähnt. Ich dachte, dass solche Charakterisierungen und Witze über übergewichtige Menschen in 2021 nichts mehr in Medien zu suchen haben, aber anscheinend habe ich mich geirrt. Joons Identität als schwuler Mann spielt keine wirklich große Rolle, jedoch stellt sich im Laufe des Buches heraus, dass er auch für Fynn schwärmt. Alles gut soweit, nur stört es mich sehr, wie übergriffig Joon sich manchmal verhält. Gerade am Anfang des Buches lässt er einfach nicht locker und zwingt Fynn quasi, mit ihm mitzukommen. Auch ist er davon überzeugt, dass Fynn schwul sein muss und versucht es durch teilweise zuweitgehende Fragen herauszufinden. (Der Gedanke, dass es auch andere Sexualitäten außer hetero und homosexuell gibt, wird in dieser Phase einfach gekonnt übergangen.) Es hatte leider schon leichte Züge von dem “predatory gay”, der seinen armen hetero Kumpel einfach nicht in Ruhe lassen kann. Auch habe ich es irgendwie satt, dass die besten queeren Freunde dann noch eine nicht erwiderte Schwärmerei in solchen Büchern haben müssen. Wieso schreibt man so etwas überhaupt in die Geschichte hinein? Es war unnötig und der arme Joon hatte echt keine Abfuhr verdient. Allgemein ist Joon eigentlich nur der Sidekick, manchmal comic relief und ein plot device, der die Handlung für seine weißen hetero Freunde weiterbringt. Das stößt mir leicht sauer auf. (Ein weiterer Kritikpunkt, der aber an sich nichts mit dem Buch zu tun hat: Wieso wird Joon als nicht-dünn beschrieben, aber auf den Fotos, die von der Autorin auf instagram verwendet werden, sieht man einen konventionell dünnen Jungen?)Fazit: Repräsentation und mehr Diversität in Büchern? Ja, bitte, aber doch nicht so. Der eigentliche Inhalt des Buches Meine 1-Stern-Bewertung kommt aber nicht nur von o.g. Problemen. Auch mit dem Inhalt des Buches und der Handlung konnte ich mich nicht so ganz anfreunden.Insgesamt verhalten sich die Figuren sehr kindisch und manchmal erinnerte mich das Verhalten an das Verhalten von meinen damaligen Mitschülerinnen auf Klassenfahrt. Die Figuren sind hier aber schon 20 Jahre alt und studieren im 4. Semester an der Uni.
Das ist natürlich nur Geschmackssache, aber mir persönlich gefällt solch ein Verhalten nicht.

Allgemein finde ich, dass Marie teils sehr übergriffig ist und ein bisschen zu versessen von Fynn am Anfang des Buches ist. Ich fragte mich mehrmals, weshalb sie so davon überzeugt war, dass Fynn ihr gemischte Signale sendet, obwohl in ihren Kapiteln Fynn anfangs einfach keinerlei Interesse zeigt und Leute allgemein meidet. Insgesamt verhält sich Marie oft wie eine 13-Jährige mit ihrem ersten richtigen Schwarm.

Das Buch leidet meiner Meinung nach auch von dem “instant love” Syndrom. Die beiden kennen sich kaum, hatten kaum Unterhaltungen miteinander, abgesehen von ein paar Szenen, die eher flach wirken und zu stark zeigen sollten wie sehr sie sich doch verstehen und wie einzigartig ihre Connection zueinander ist. Aber dennoch wird sehr schnell von Liebe und verlieben gesprochen. Und ich sitze da und denke mir nur “Ihr kennt euch erst zehn Tage lang!!!” Da kommt vielleicht auch ein bisschen die Zynikerin in mir durch, aber in einem Buch, dessen Fokus eine Romanze ist, erwarte ich zumindest, dass die Figuren ein bisschen mehr Entwicklung kriegen und vielleicht nicht sofort so tun, als wäre das die wahre Liebe. Die Beziehung zwischen den beiden hat für mich meistens einfach nicht funktioniert.

Die Nebenfiguren waren sehr flach, es kam mir so vor, als ob man jedem ca. drei Charakteristiken gegeben hat und es dann dabei belassen hat.

Den Roadtrip an sich fand ich eigentlich eine schöne Idee, aber er war nicht wirklich... interessant. Er kam größtenteils sehr oberflächlich rüber und sorgte nur dafür, dass man verschiedene Hintergründe in den jeweiligen Szenen hatte.
Allgemein fand ich es sehr fragwürdig, dass Fynn quasi von Joon gezwungen wurde, mitzugehen und Joon es dann den anderen nicht einmal im Voraus gesagt hat. Im echten Leben wäre es einfach so unangenehm, wenn ein Freund auf einmal einen Fremden auf einen Urlaub mit Freunden mitschleppt, ohne das vorher abzuklären. Und Joon kannte Fynn selbst kaum.

Das Buch hatte durchaus vereinzelt gute Szenen, die mir prinzipiell gefallen haben, aber ich hatte identische Szenen bereits zuvor in anderen queeren Medien gesehen, die das Drumherum im Vergleich viel besser gehandhabt hatten, also stachen diese einzelnen Szene, die ich mochte, nicht besonders hervor.

Der Schreibstil und der Aufbau der Geschichte erinnerte mich allgemein eher an Fanfictions, was nicht zwingend ein Kritikpunkt ist, aber ich lobe das Buch auch nicht dafür.

Im Ergebnis gab es nur sehr wenig in dem Buch, das ich mochte und zusammen mit den Dingen, die ich problematisch fand, komme ich daher zu dieser Bewertung.
Das Buch würde ich niemandem empfehlen, vor allem nicht trans Leuten, die sich nach Repräsentation in deutschen Büchern sehnen.

April 13, 2021Report this review